Das Haus
nach dem Umbau durch J. U. Wohlig 1923
Am
Dresdner Altmarkt
Von
Cornelius Gullit
Eines Tages
besuchte mich Prof. William Lossow, der Mitbesitzer des Architektur Firma
Lossow und Viehweger, und zeigte mir den Entwurf zu einem Geschäftshaus für die
Firma Herzfeld, das am Altmarkt zu errichten sei. Bedingung sei, daß die
Fassade als Reklame für die Firma wirke, und daß das alle Geschosse in Anspruch
nehmende Warenhaus möglichst ein großes
Schaufenster darstelle, also möglichst viele Glasflächen biete. Lossow hatte
den damals üblichen Barockstil gewählt, d. h. den Stil, der sich am Überbieten
des heimischen Barock gefiel. Er erklärte, dass er versucht habe, die Firma
Herzfeld zu einem Herabstimmen ihrer Anforderungen an Aufwand und Auffälligkeit
zu bewegen, daß das aber vergeblich gewesen sei.
Es war wohl
auf Lossows Einfluss zurückzuführen, daß mich die Baupolizei einlud, an der
entscheidenden Sitzung teilzunehmen. Wenigstens ist dies der einzige Fall
geblieben, indem ich gehört würde. Der Dezernent, Stadtrat Kretschmar, stellte
mir nach dem Wortlaut der Bauordnung für die Stadt Dresden die Frage, ob der
Bau „Der Stadt zur Unzierde gereiche“. Ich wies auf einzelne Punkte hin, nämlich
zunächst auf die Gestalt der Öffnungen und die praktischen Fehler, die die
Kaufleute machen, wenn sie zu große Glasflächen verlangen. Wer heute solche an
anderen Orten betrachtet, wird sehen, daß sie in den Obergeschossen bist zu
zwei Meter vom Fußboden mit Teppichen oder dergleichen verhängt sind, weil sie
die Benutzung des Innenraumes beeinträchtigen, ohne für den Beschauer von außen
nur einigermaßen ursprüngliche Schaufläche zu bieten. Zweitens, daß an
Schmuckwerk gespart werden könne. Allerdings seien ähnlich überladene
Schauseiten nicht lange vorher am Rathausplatz genehmigt worden. Und drittens
bat ich, daß die Abschrägung der Ecke unterbliebe, da sie die Geschlossenheit
der Marktwand beeinträchtige. Sollte die Schauseite etwa am Ende einer Straße
als Abschluss stehen, so sei ihre Ablehnung nicht berechtigt. Aber da sie durch
Maßstab und Formgebung den älteren Bauten des Altmarktes widerspreche, lautete
mein Gutachten: Die Fassade gereiche nicht der Stadt, wohl aber dem Altmarkt
zur Unzierde!
Dabei
sprach ich mein Bedauern darüber aus, daß nicht aufgrund des Gesetzes zur
Verunstaltung von Stadt und Land ein Ortsregulativ für den Altmarkt geschaffen
worden sei. Man sagte mir, dies sei im Augenblick nicht möglich und die
Bewilligung oder Ablehnung der Fassade dränge. Ich musste zugeben, daß dies
berechtigt sei. Denn es hat wenig Aussicht auf Erfolg, wenn man in die
Feuerversicherungsgesellschaft geht mit dem Ruf: Schnell versichern, mein Haus
brennt schon! Mein Gutachten wurde als „unstatthaft“ abgelehnt, die Fassade
genehmigt. Nun hat ja. J. U. Wohlig, Architekt (BDA.), mit verständnisvoller
Unterstützung der Bauherrin, der Disconto-Gesellschaft, den Bau umgestaltet,
und zwar dabei so gründlich als möglich mit dem Beiwerk aufgeräumt. Es ist
nichts mehr „dran“ an der Schauseite, aber sie ist ruhig, einfach, der Umgebung
angemessen geworden, hat somit an sich und als Teil der Wand des Marktes in künstlerischer
Beziehung ganz außerordentlich gewonnen. Die Schäfte sind breiter, die
Teilungen der Fenster schlichter und würdiger geworden, das Ganze hat Ruhe und
Vornehmheit erlangt. Das zu erreichen war auch in technischer Hinsicht keine
Kleinigkeit. Aber Dresden kann sich beglückwünschen, nun dort ein Haus zu
haben, daß dem Altmark nicht zu Unzierde gereicht, wie so manche andere es noch
tun.
Wann aber
kommt das Ortsgesetz für den Altmarkt? Dabei handelt es sich viel weniger um
die Erhaltung der einzelnen Formen: Es ist nicht mehr viel, was an ihm
Altertumswert hat. Aber es handelt sich um die Fortsetzung seiner
Entwicklungsgeschichte: Im Mittelalter umgaben ihn Häuser mit einem
Obergeschoss und Giebeln, Renaissance, Barock und Rokoko bauten auf diese
mehrere Geschosse auf. Ich halte es nicht für unkünstlerisch, wenn die Not an
umbauten Raum drängt, in diesem „Aufstocken“ noch weiterzugehen, wenn dabei nur
eine feste Hand unkünstlerische Lösungen verhindern kann, wenn nur ein
einheitlicher Wille den verschiedenen zum Bau berufenen Architekten nicht etwa
Formen aufzwingen, sondern sie vor lästigen Eigenbröteleien des Bauherrn schützt.
Bild und
Text aus „Mitteilung des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz“ Dresden,
Heft 4-6,
Band XII von 1923, Seite 125 ff.