Hinweis
Bewegen Sie die Maus über das Bild, um sehen zu können, wie das Motiv aus dem selben Blickwinkel heute aussieht.
Konditorei und Café Hülfert
Prager Strasse 48 (Ecke Sidonienstrasse)
Bauzeit:
Architekt:
Zerstört: 13./14.2.1945
Ansichtskarte: F.S. Jahn, Dresden, ca. 1935
"Mit Rundfunkzimmer und Billardsalon - Café Hülfert
Zahlreiche Konditoreien hatten sich im 19. Jahrhundert in der
königlich-sächsischen Residenzhauptstadt etabliert. Berühmte Konditoren wie
Kreutzkamm, Torniamenti, Trepp oder Beyer seien nur stellvertretend erwähnt.
Ein idealer Standort für ein Konditoreigeschäft war die Prager Straße. In den
neu entstandenen Gebäuden siedelte sich eine Vielzahl von Geschäften und
Warenhäusern an. So dachte wohl auch der junge Richard Hülfert am Anfang des
Jahres 1881. Er erlernte das Bäckerei- und Konditorhandwerk. Seit April 1877
war er als Geschäftsführer beim Bäckermeister Kuntzsch an der Hauptstraße 12
tätig. Kuntzsch unterstützte die Pläne seines Schützlings. Finanziell half er
bei der Anmietung der Räumlichkeiten.
Eröffnung im Februar 1881
Am 1. Februar 1881 erfolgte dann die feierliche Eröffnung „Conditorei und Café
von Richard Hülfert“. Das Geschäft befand sich im Eckhaus Prager
Straße/Sidonienstraße. Neben auserlesenen Konditoreierzeugnissen gab es auch
einen Ausschank für Kaffee, Schokolade, Punsch, Grog, Likör und Wein. Auch ein
Bestellservice war schon am Gründungstag eingerichtet. Dieses tolle Angebot las
auch der Stadtbezirksinspektor im Dresdner Anzeiger. Und stellte in seinen
Unterlagen sofort fest, dass vom Gewerbeamt der Stadt Dresden noch kein
Konzessionsschein vorlag. Er inspizierte noch am gleichen Tag das neue Geschäft
und registrierte, dass es auch schon eine kleine Auswahl von Likören gab. Jene
Tatsache nutzte er dann zur Bekräftigung seiner Anzeige. Ein Strafbefehl über
zehn Mark folgte prompt.
Wenige Tage später hatte aber Richard Hülfert die erforderlichen Genehmigungen.
Auch zum Branntweinschank. Im Sommer des gleichen Jahres war es ihm dann auch
möglich, einige Biersorten anzubieten. Er folgte damit dem Trend der Zeit. Um
den Charakter seiner Konditorei nicht zu zerstören, wurde es jedoch nur im
Parterreraum zur Sidonienstraße ausgeschenkt.
Wesentliche Erweiterungen der Konditorei folgten dann im Jahre 1898. In der
ersten Etage entstand ein separater Billardsaal. In jenen Jahren gehörten
Kaffeehauskultur und Billardspiel einfach zusammen. Genauso wie eine reichliche
Zeitungsauswahl. Geöffnet waren diese Räume bis 12Uhr nachts. Auch das
eigentliche Konditoreigeschäft lief sehr gut. Längst war der Name des Hauses
weit über die Grenzen Sachsens bekannt. Das von Beginn an erstklassig
organisierte Bestell- und Versandgeschäft hatte zahlreiche ausländische Kunden.
Vergaßen sie die Adresse des Konditoreigeschäftes, kamen ihre Bestellungen auch
unter der Anschrift „Hülfert-Ecke in Dresden“ an. Geschätzt wurden neben den
Dresdner Christstollen vor allem die Baumkuchenspezialitäten. Richard Hülfert
war nach der Jahrhundertwende schon längst der Obermeister der
Konditorei-Kreis-innung.
Musterbetrieb mit Lärmquote
Ein Musterbetrieb wurde geschaffen. Schon längst gab es elektrische Motoren,
welche die großen Schlagmaschinen in der Bäckerei antrieben. Nicht immer zur
Freude der unmittelbaren Nachbarschaft. So beschwerten sich im Jahre 1904 zwei
benachbarte Geschäftsinhaber über den störenden Lärm. Auch der zuständige
Bezirksinspektor begutachtete die Situation. Richard Hülfert bekam die Auflage,
Maschinen seiner Bäckerei umzusetzen. Dies war aus technischen Gründen jedoch
kaum möglich. Eine Tatsache, welche wenige Monate später auch das Dresdner
Gewerbeamt akzeptierte. Hier ging es um die Rühr-, Reib- und Eismaschine.
Weiterhin wurde von den neuen elektrischen Motoren auch noch ein
„Baumkuchenaggregat“ und eine Kaffeemühle angetrieben. Seine Begründung, dass die
Geräusche vom vibrierenden Boden herrührten, wurde akzeptiert.
Im Jahre 1908 wurden die Räume in der ersten Etage erweitert. Zwei neue kamen
hinzu. Das Gleiche wird in der Endphase des Ersten Weltkrieges erfolgen. Das
dazu erforderliche Gesuch richtete Hülfert am 21.September 1918 an das Dresdner
Gewerbeamt. Ein Jahr später beendete er seine geschäftliche Tätigkeit. Sein
Sohn Paul Hülfert übernahm den väterlichen Betrieb. Umfangreiche Umgestaltungen
erfolgten. So entstanden „im ersten Stockwerk moderne, überaus behagliche
Salons mit Balkonen nach der Prager und Sidonienstraße, die schönste Aussicht
auf den Dresdner Hauptverkehr der Prager Straße bietend, erweiterte Lese-,
Spiel- und Billardzimmer“.
Investitionen für die Zukunft, die sich als richtig erwiesen. „Kaffee macht
mich frisch, gibt mir Hoffnungen“, schrieb Victor Klemperer im Jahre 1923 in
sein Tagebuch. Im April des darauf folgenden Jahres genoss er nach den
Inflationsjahren bei Hülfert erstmals wieder „Caféhaus-Zeitungslectüre“.
Weniger konnte er sich im September 1924 mit dem neueingerichteten
„Rundfunkzimmer“ anfreunden. Die Geräusche aus dem Lautsprecher irritierten
ihn. „Das schlechteste Grammophon bringt mir bessere und deutlichere Musik“,
war sein Fazit.
Über fehlendes zahlungskräftiges Publikum war auch in den folgenden Jahrzehnten
nicht zu klagen. Das „Café Hülfert“ gehörte zu den ersten Kaffeehäusern in der
belebten Prager Straße. Schon längst hatte sich der Ruf über Sachsens
Landesgrenzen verbreitet. Dazu trug das sich vergrößernde Stollen- und
Baumkuchen-Versandgeschäft wesentlich bei. Letztendlich wird die bekannte
Konditorei das Schicksal vieler anderer bedeutender gleichartiger Unternehmen
teilen. Das Gebäude wurde beim Bombenangriff im Februar 1945 komplett zerstört.
An einen Neubeginn war nicht mehr zu denken."
Sächsische Zeitung vom 13. Juli
2009